
Kalenderblatt vom 2. September
“Die Vorzeichen sind unklar. Man hätte besser die Leber befragen sollen.”
“The auguries are dubious. It would have been better to consult the liver”
“Los augurios son difusos. Habría sido mejor preguntar el hígado.”
Acryl, Acrylpaste, Glitter auf Aquarellpapier ca. 21 x 15 cm
Das Bild ist ein Ereignis. Schon beim ersten Blick breitet sich ein Spannungsfeld aus: das vibrierende Rot, der erdige Widerstand des Schwarz, das fast leuchtende Grün, das wie Zeichen aus einer fremden Schrift über die Oberfläche fährt. Dazu ein glühender Kreis, fast wie eine Sonne oder ein Organ, das seine Energie in den Raum schleudert. Man spürt sofort: Hier geht es nicht um Harmonie, sondern um eine Botschaft, die sich zwischen Klarheit und Rätselhaftigkeit bewegt.
Das Werk weckt ein Gefühl von Dringlichkeit, innerem Aufruhr und ironischer Leichtigkeit. Es ist dramatisch, lebendig und herausfordernd, ohne endgültige Antworten zu geben. Die Atmosphäre gleicht einem Orakel im Umbruch, einem Zwischenzustand, in dem das Offensichtliche noch verborgen bleibt. Statt Lähmung entsteht eine Spannung, die elektrisiert.
Die Geschichte, die sich hier aufdrängt, ist die einer inneren Landschaft aus Zeichen. Vielleicht eine unlesbare Schrift, vielleicht ein Körper, der spricht. „Die Vorzeichen sind unklar“. Dieser Satz klingt nach einem Dialog mit dem Unbewussten, mit der Körperweisheit. Die Leber, Sitz der Wut und der Transformation, wird zur Hüterin von Klarheit.
Die Komposition ist spannungsvoll gebrochen: Links zeigt sich die strenge, fast käfigartige Gitterstruktur, rechts öffnet sich eine kreisförmige Bewegung. Das Auge wandert unweigerlich vom „Gefangensein“ hin zum „Durchbruch“. Die Farben wirken wie Symbole: Das Rot ist Glut, Feuer, Brennofen. Schwarz legt sich darüber wie Widerstand oder Verschleierung. Das Grün bricht hervor wie Hoffnung, wie ein unverständliches Signal. Und der orange-gelbe Kreis bringt eine Sonne ins Dunkel, ein Herzstück, ein Zentrum.
Auch die Linien und Formen sind voller Dynamik. Die senkrechten grünen Linien erinnern an Runen oder Orakelstäbe, während die Rundung rechts Kraft, Bewegung und Öffnung verkörpert. Die Textur verstärkt diesen Eindruck: pastos, strukturiert, mit Glitter akzentuiert, eine Oberfläche, die lebendig ist, fast zum Tasten.
In seiner Symbolik spricht das Bild von der Suche nach Orientierung in unklaren Zeiten, vom Mut, im Chaos Schönheit und Wahrheit zu entdecken, und vom Vertrauen in den Körper, der mehr weiß als der Verstand. Es stellt dem Betrachter Fragen: Welche Vorzeichen lese ich in meinem Leben? Höre ich auf den Verstand oder auf die Intuition? Bin ich noch gefangen im Gitter oder schon beim Durchbruch zum Licht?
Besonders angesprochen fühlen sich von diesem Werk Menschen, die sich nicht mit Oberflächlichkeit zufriedengeben. Kunstsammler, die Fragen lieben, nicht nur Dekoration. Spirituell Suchende, die Symbole brauchen. Kreative Seelen, die das Unklare als Quelle von Inspiration erkennen.
Am Ende bleibt die Essenz: Dieses Werk ist ein Seelenstück. Es ist unbequem, herausfordernd und genau darin liegt seine Kraft. Wer es besitzt, besitzt ein Orakel an der Wand.
Wer dieses Bild zu sich holt, holt sich nicht nur Farbe und Form ins Haus. Er lädt eine Frage ein. Eine, die immer wieder neu herausfordert und die Antwort überlässt er sich selbst.