
Das Kalenderblatt zum 2. September
“Ferragosto Elba”
Das Bild „Ferragosto Elba“ wirkt auf den ersten Blick leise, fast zurückhaltend. Doch wer innehält, spürt sofort: hier geht es um mehr als Boote auf dem Wasser. Wir stehen auf der Insel, oben auf La Conca bei Sant’Andrea, und blicken hinaus auf das offene Meer. Vor uns schaukeln kleine Boote, frei und doch verbunden mit der Tiefe des Wassers. Am Horizont schweben Wolken direkt über dem Meer, wie ein lebendiger Vorhang, der Himmel und Erde miteinander verwebt.
Ein Hauch von Sehnsucht steigt auf, ein Versprechen von Freiheit, ein stiller Nachmittag im August, an dem die Zeit fast stehenbleibt. Die Boote scheinen zu ruhen, als hätten sie ihren Platz gefunden – sicher getragen von den Wellen und doch bereit, jederzeit hinauszusegeln. Gerade die Abwesenheit von Menschen macht das Werk zur Einladung: Was würdest du tun, wenn du hier wärst? Würdest du segeln? Dich treiben lassen? Oder einfach nur die Stille feiern?
Die Boote stehen für unsere Möglichkeiten, unsere Lebenswege. Manche liegen ruhig, andere scheinen bereits im Wind zu warten. Das Meer – angedeutet in sanften Flächen – steht für das Unbekannte, das uns ruft. Und die dichten Wolkenformationen im Hintergrund erinnern daran, dass jede Ruhe von Bewegung durchdrungen ist, dass das Leben selbst in der Stille pulsiert. Die Stimmung ist nicht zufällig: sie vereint Leichtigkeit und Tiefe. „Ferragosto Elba“ scheint eine meditative Momentaufnahme zu sein, ein Bild, das festhält, was man nicht festhalten kann: Zeit, Stille, Sommerlicht.
Auf emotionaler Ebene löst das Werk eine Sehnsucht nach Ruhe, Heimat und Weite aus. Spirituell erzählt es vom Rhythmus des Lebens, Ankommen und Aufbrechen, Stille und Bewegung. Sozial ist es ein Gegenbild zur lärmenden Welt, ein Ruf nach Entschleunigung. Politisch ließe sich ein stiller Kommentar zur Überfüllung des Sommers in Südeuropa erahnen und der Wunsch nach einem anderen, respektvolleren Umgang mit Natur und Raum. Doch am stärksten wirkt es durch die Fragen, die es an den Betrachter stellt: Welches der Boote bist du, das ruhende oder das reisende? Wo liegt dein eigener „sicherer Hafen“? Wann hast du zuletzt einfach nur geschaut, ohne zu wollen?
Im Oeuvre des Künstlers fügt sich „Ferragosto Elba“ als poetischer Zwischenklang ein, eine Skizze, die mehr sagt als viele große Formate. Es ist die Kunst der Andeutung: mit minimalen Mitteln eine maximale Tiefe eröffnen.
Warum dieses Bild besitzen? Weil es kein Dekor ist, sondern ein Resonanzraum. Es erinnert täglich daran, was wir oft vergessen: dass wir selbst die Boote sind, unterwegs auf dem Meer unserer Möglichkeiten. Es schenkt Ruhe und Kraft und macht aus jedem Raum einen Ort der Einkehr.