
Kalenderblatt vom 16. Oktober
“Sonntag auf dem Lande”
“Sunday in the country”
“Domingo en el campo”
Tusche auf Zeichenpapier ca. 15 x 21 cm
Der Titel klingt nach Stille, nach einem Atemzug zwischen den Tagen, nach einem Moment, in dem Zeit keine Rolle spielt. Doch wer sich diesem Bild mit wachem Blick nähert, spürt rasch: Hier ruht nichts, hier lebt etwas.
Ein flammend roter Kreis dominiert die Komposition, eine Sonne, die nicht einfach scheint, sondern pulsiert, eine Kraftquelle zwischen Aufbruch und Erinnerung. Sie scheint zu glühen wie das Herz des Landes selbst, als würde sie das darunterliegende Geflecht aus Linien und Formen mit Energie erfüllen. Ich arbeite mit einer radikalen Reduktion, Tusche auf weißem Papier und doch entsteht eine reiche, vibrierende Landschaft, irgendwo zwischen Traum und Realität.
Diese Linien erzählen Geschichten, organisch, archaisch, fast wie Zeichen einer alten Sprache. Man meint, Hügel zu erkennen, Wege, vielleicht Häuser, aber alles bleibt fließend, wie in einem Zustand zwischen Wachen und Dämmern. Es ist ein Land der inneren Bilder, wo Struktur und Chaos sich in Balance halten. Die Tuschestriche wirken zugleich kontrolliert und frei, eine Meditation in Bewegung.
Die Atmosphäre? Ruhig und doch aufgeladen. Ein Bild stiller Intensität. Das Rot bringt Leben und Leidenschaft, das Schwarz-Weiß rahmt es in Klarheit und Einfachheit. Hier entsteht ein Kontrast zwischen Erdung und Aufbruch, zwischen Kontemplation und kreativer Kraft.
Spirituell betrachtet könnte die rote Sonne für Bewusstsein oder Transformation stehen, für das Erwachen einer inneren Energie, die über das Alltägliche hinausweist. Emotional ruft das Werk eine Mischung aus Sehnsucht und Geborgenheit hervor: die Sehnsucht nach Weite, nach Natur, nach Ursprünglichkeit und gleichzeitig die Geborgenheit in der Ordnung des Einfachen.
So könnte „Sonntag auf dem Lande“ auch als Metapher für die Rückkehr zu sich selbst verstanden werden. Die Linien sind Wege, die wir gehen, Schleifen, die wir drehen, Muster, in denen wir leben. Und über allem steht diese Sonne, ein Symbol für das Leben selbst, das uns immer wieder ruft.
Das Bild stellt Fragen, leise, aber beharrlich:
Wo beginnt für dich das Land deiner inneren Ruhe? Wann war dein letzter Sonntag, nicht im Kalender, sondern in deinem Herzen?
„Sonntag auf dem Lande“ ist kein Landschaftsbild im klassischen Sinn. Es ist ein emotionales Feld, ein spiritueller Raum, ein poetisches Statement über die Verbindung zwischen Mensch, Natur und Geist. Es lädt den Betrachter nicht nur zum Sehen, sondern zum Spüren ein und genau darin liegt seine Kraft.
Ein Werk für jene, die in der Einfachheit das Wesentliche suchen und in der Stille das Leben hören.
