
Kalenderblatt vom 01. Oktober
“Herr Surbier konnte an dem Festessen nicht teilnehmen. Er hatte seine Krawatte vergessen”
“Mr. Surbier couldn’t take part at the banquet. He had forgotten his necktie”
“Seño Surbier no pudo participar en el banquete. Había olvidado a sua corbata.”
Aquarell, Goldpaste auf Aquarellpapier ca. 21 x 15 cm
Der Titel verrät, dass hier keine bloße Darstellung, sondern eine ganze Welt voller Absurdität, Tragik und grotesker Komik eingefangen ist.
Dieses Aquarell springt den Betrachter förmlich an. Die großen, fast kindlich gemalten Augen wirken wie weit aufgerissene Fenster einer Seele, die zwischen Schreck und ungläubiger Verwunderung schwankt. Gleichzeitig verleiht das überbetonte, rot gesprenkelte Gebiss dem Gesicht eine clowneske, beinahe gespenstische Präsenz. Man schwankt unweigerlich zwischen Lachen und Beklemmung und genau in diesem Spannungsfeld entfaltet das Werk seine Kraft.
Die Atmosphäre ist dramatisch und lebendig, beinahe theatralisch. Der lockere, unkontrolliert wirkende Pinselstrich verstärkt die Emotion: alles scheint gleichzeitig in Bewegung und Auflösung begriffen. Und doch steckt darin ein Funken von Melancholie, die absurde Kleinigkeit, die Krawatte, wird zur Metapher für das Scheitern an Konventionen und gesellschaftlichen Erwartungen.
Das Bild erzählt eine Geschichte, die jeder kennt: ein Moment der Ausgeschlossenheit, ausgelöst durch eine Banalität. Ein Fest, zu dem man nicht zugelassen wird, weil ein äußerliches Detail fehlt. Der Maler verwandelt diesen alltäglichen Albtraum in eine groteske Ikone: Hier grinst uns die Fratze der gesellschaftlichen Normen an, die uns gleichzeitig fasziniert und verschlingt.
Symbolisch betrachtet, öffnet das Werk viele Ebenen: sozial die Frage nach Anpassung und Ausschluss; emotional das Gefühl, fehl am Platz zu sein; spirituell das Ringen um Authentizität jenseits äußerer Formen; sogar politisch als bitterer Kommentar auf oberflächliche Zwänge in Systemen, die Menschen auf Äußerlichkeiten reduzieren.
Das Bild stellt dem Betrachter bohrende Fragen: Wie oft verpassen wir das Wesentliche, weil wir uns um Nebensächlichkeiten sorgen? Wo grenzen wir andere aus, nur weil sie nicht ins „Dresscode“-Schema passen? Und was passiert, wenn unsere Masken fallen?
In seiner expressiven Direktheit ist dieses Werk originell und unverwechselbar. Es trägt Spuren von Art Brut, von expressionistischer Wucht, aber es hat seine ganz eigene Stimme. Ein Werk, das nicht dekorativ sein will, sondern eine Provokation, ein Spiegel und eine Einladung zur Selbstreflexion.
Wer dieses Bild erwirbt, kauft nicht einfach ein Aquarell, er holt sich eine kraftvolle Konfrontation mit der Absurdität menschlicher Rituale, eine Erinnerung daran, dass wahre Freiheit nur dort beginnt, wo wir die „Krawatte“ der gesellschaftlichen Zwänge ablegen.